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Hörgeräte

Unbehaglichkeitsschwelle: Messung, Normwerte & die Bedeutung für Hörgeräte

Simone Blaß
Verfasst von Simone Blaß
Zuletzt aktualisiert: 03. Dezember 2025
Lesedauer: 22 Minuten
© Yurii Yarema / istockphoto.com

Das menschliche Gehör ist ein bemerkenswertes Sinnesorgan, das Schall über einen enormen Dynamikbereich wahrnehmen kann, vom kaum hörbaren Flüstern bis hin zu donnernden Geräuschen. Doch diese Fähigkeit hat natürliche Grenzen. Wird ein Schallreiz zu intensiv, kippt die Wahrnehmung von angenehm oder neutral in ein unangenehmes, mitunter schmerzhaftes Empfinden. Dieser Übergang markiert die sogenannte Unbehaglichkeitsschwelle, jenen Punkt, an dem Lautstärke nicht mehr nur als laut, sondern als störend und belastend erlebt wird. Diese Unbehaglichkeitsschwelle spielt eine zentrale Rolle in der Audiologie, der Hörgeräteversorgung und dem Gehörschutz. Ihr Verständnis ermöglicht es, die individuelle Dynamik des Hörens zu erfassen, technische Hilfsmittel optimal an die einzelnen Personen anzupassen und das Gehör vor irreversiblen Schäden zu schützen. Zugleich variiert diese Schwelle von Person zu Person und kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden.

Alles auf einen Blick:

  • Die Unbehaglichkeitsschwelle (UCL) bezeichnet den Schalldruckpegel, ab dem ein Geräusch nicht mehr als angenehm oder tolerierbar, sondern als unangenehm bis schmerzhaft empfunden wird.
  • Die UCL ist wichtig, um Hörgeräte von Schwerhörigen optimal anzupassen und sicherzustellen, dass verstärkte Töne zwar gut hörbar sind, aber niemals den individuellen Unbehaglichkeitsbereich überschreiten.
  • Die Ermittlung der Unbehaglichkeitsschwelle bei Kindern erfolgt alters- und entwicklungsabhängig. Je älter das Kind ist, desto genauer lässt sich diese Schwelle bestimmen.
  • Eine niedrige Unbehaglichkeitsschwelle erfordert eine besonders präzise und individuell abgestimmte Hörgeräteversorgung, um sowohl Hörkomfort als auch Sprachverständlichkeit zu gewährleisten.
  • Eine pathologisch niedrige Unbehaglichkeitsschwelle kann in bestimmten Fällen neurologisch bedingt sein. In solchen Situationen sollte eine interdisziplinäre Abklärung erfolgen, beispielsweise durch Neurologen, Audiologen und gegebenenfalls Psychologen.

Wie kommt es zu Hörproblemen?

Hörprobleme können aus ganz unterschiedlichen Gründen entstehen. Sie reichen von äußeren Einflüssen wie Lärm bis hin zu Erkrankungen, genetischen Veranlagungen oder altersbedingten Veränderungen. Wer die Ursachen kennt, kann gezielter darauf reagieren und passende Maßnahmen oder Behandlungen ergreifen.

Folgende Ursachen für Hörprobleme kommen infrage: 

Lärm: Eine der häufigsten Ursachen für Schädigungen am Gehör ist die andauernde Belastung durch laute Geräusche, sei es im Beruf (z. B. in der Industrie) oder in der Freizeit, etwa bei Konzerten oder beim Hören lauter Musik über Kopfhörer. Diese lärmbedingte Schwerhörigkeit entsteht meist schleichend und ist in vielen Fällen dauerhaft, da sie die empfindlichen Haarzellen im Innenohr schädigt.

Hörverlust durch Krankheiten: Auch bestimmte Krankheiten können das Gehör beeinträchtigen. Infektionen wie Mittelohrentzündung oder Meningitis (Hirnhautentzündung) zählen zu den häufigeren Ursachen. In einigen Fällen bessert sich das Hörvermögen nach erfolgreicher Behandlung wieder, in anderen bleiben dauerhafte Schäden zurück.

Altersschwerhörigkeit: Mit steigendem Alter nimmt die Hörfähigkeit bei vielen Menschen allmählich ab, man spricht von Presbyakusis oder alterungsbedingter Schwerhörigkeit. Betroffen sind meist beide Ohren. Besonders das Verstehen hoher Töne oder Gespräche in geräuschvoller Umgebung fällt zunehmend schwer.

Hörprobleme im Jugendalter: In den letzten Jahren zeigt sich ein deutlicher Anstieg von Hörproblemen bei Jugendlichen, häufig verursacht durch übermäßigen Freizeitlärm, etwa durch laute Musik über Kopfhörer oder auf Veranstaltungen. Schätzungen zufolge sind rund 15 Prozent der Jugendlichen davon betroffen. [1]

Unabhängig von der Ursache gilt, dass je früher ein Hörproblem erkannt wird, desto besser sich Folgeschäden vermeiden lassen. Durch gezielte Diagnostik und individuelle Lösungen kann das Hörvermögen oft erhalten oder verbessert werden. Nehmen Sie Geräusche im Alltag häufig als zu laut oder belastend wahr, ist das ein wichtiges Zeichen, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Laien können zwar ungefähr einschätzen, welche Lautstärken als unangenehm empfunden werden, aber die individuelle Abgrenzung einer exakten Schwelle ohne professionellen Hörtest ist entsprechend ungenau.

Was ist die Unbehaglichkeitsschwelle beim Hören? 

Die Unbehaglichkeitsschwelle, auch US oder nach dem Englischen UCL (Uncomfortable Level) ist ein Fachbegriff aus der Hals-Nasen-Ohren-Medizin, der die Lautstärke in Dezibel beschreibt, die für den Patienten als unangenehm empfunden wird. Diese Schwelle ist kein festgesetzter Normwert, sondern individuell verschieden. 

Wie wird die Unbehaglichkeitsschwelle gemessen? 

Die Messung erfolgt für jede hörbare Frequenz entweder mit Sinustönen, also „reinen Tönen“, oder mit Schmalbandrauschen, das mehrere benachbarte Frequenzen umfasst. Dabei trägt der Patient Kopfhörer, über die die Töne jeweils separat einem Ohr dargeboten werden, um das Hörvermögen beider Ohren individuell zu überprüfen. Dem Patienten werden zunehmend lautere Töne eingespielt und er muss dann ein Signal geben, ab wann er diese Töne als unangehnehm empfindet. Die Werte für die jeweiligen Frequenzen werden in ein Audiogramm eingetragen und anschließend ausgewertet.

WAS IST EIN AUDIOGRAMM?
Ein Audiogramm ist eine grafische Darstellung, die zeigt, wie gut eine Person verschiedene Töne unterschiedlicher Lautstärke und Frequenz hören kann. Es wird bei einem Hörtest erstellt, bei dem gemessen wird, ab welcher Lautstärke Töne für die Person gerade noch hörbar sind. Diese Werte werden als Hörschwellen eingetragen. Das Audiogramm hilft Fachleuten, den Grad und die Art eines Hörverlusts zu erkennen und eine passende Hörgeräteanpassung vorzunehmen.

Bei normalhörenden Personen liegt die Unbehaglichkeitsschwelle typischerweise zwischen 90 und 110 Dezibel, also etwa 20 Dezibel unterhalb der Schmerzgrenze. Der Bereich zwischen der Hörschwelle, also dem minimalen Schalldruckpegel, bei dem ein Ton gerade noch wahrgenommen wird, und der Unbehaglichkeitsschwelle wird als Bereich der angenehmsten Lautstärke bezeichnet (engl. Most Comfortable Range, MCR).

Hörtest zur Ermittlung der Unbehaglichkeitsschwelle: Akustikerin führt bei einem Mann mit Kopfhörern eine audiologische Untersuchung im Hörtestlabor durch.
Mithilfe eines Hörtests wird gemessen, wo bei einem Menschen die individuelle Unverträglichkeitsschwelle liegt © peakSTOCK / istockphoto.com

UCL: Welche Rolle spielt der Hörnerv? 

Der Hörnerv spielt eine wichtige Rolle bei der Unbehaglichkeitsschwelle, da er die Schallsignale vom Innenohr zum Gehirn weiterleitet und somit bei der Lautstärkewahrnehmung entscheidend ist. Ist der Hörnerv oder die signalverarbeitenden Neuronen beeinträchtigt, kann dies zu einer veränderten Lautstärkeempfindlichkeit führen, wodurch die Unbehaglichkeitsschwelle häufiger erniedrigt ist. Dadurch werden Töne schneller als unangenehm laut empfunden.



Welche Normwerte gelten für die Unbehaglichkeitsschwelle?

Es gibt keine einheitliche internationale Norm, aber in der audiologischen Praxis gelten Richtwerte, die sich an Studien und Erfahrungswerten orientieren. Hierbei gilt, dass bei normalhörenden Erwachsenen die Unbehaglichkeitsschwelle typischerweise zwischen 90 und 110 dB HL (Pegel relativ zur Hörschwelle) liegt, abhängig von der getesteten Frequenz. Am empfindlichsten reagiert das Gehör in der Regel im Bereich um 1000 bis 3000 Hertz, da dieser Bereich für Sprache relevant ist. Hier setzt das Unbehagen meist entsprechend früher ein. 

Ab welchem Schalldruckpegel beginnt Unbehagen bei normalhörenden Menschen?

Studien und Literaturübersichten berichten, dass die Uncomfortable Loudness Levels (ULLs), also die Pegel, bei denen reine Töne als unangenehm laut empfunden werden, bei normalhörenden Personen typischerweise im Bereich von 90 bis 105 dB HL (Hearing Level) liegen. [2]

Woran erkennt man eine pathologisch niedrige Unbehaglichkeitsschwelle?

1. subjektive Beschwerden: Betroffene berichten, dass normale Geräusche wie Geschirrklappern, Staubsaugen oder Kinderstimmen unangenehm laut oder nicht auszuhalten sind. Menschen mit einer sehr niedrigen Unbehaglichkeitsschwelle tun Geräusche bereits in den Ohren weh, die andere als unproblematisch empfinden. 

2. Reaktionen im Alltag: Wer unter einer niedrigen Unbehaglichkeitsschwelle leidet, vermeidet Situationen, in denen eine lautere Geräuschkulisse ganz normal ist wie Restaurants oder Konzerte. Wird man einer solchen Situation trotzdem ausgesetzt, dann kann es aufgrund der unangenehmen Gefühle zu Gereiztheit kommen. Viele tragen zum Schutz ihrer Ohren auch Ohrstöpsel, Ohrwatte oder Kopfhörer im Alltag oder setzen sich zur Abschirmung eine Kapuze auf. 

3. audiometrische Messung: BeimHNO-Arzt oder dem Hörakustiker zeigt sich, ob die Schwelle der Unbehaglichkeit deutlich unter dem Normbereich liegt. Von pathologisch spricht man bei einem UHS von 60 bis 80 dB HL oder noch darunter. 

Was sagt die Unbehaglichkeitsschwelle über das Hörvermögen aus?

Eine niedrige Unbehaglichkeitsschwelle ist zwar ein Hinweis auf eine gesteigerte Geräuschempfindlichkeit, bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass das allgemeine Hörvermögen eingeschränkt ist. Betroffene können leise oder normale Töne oft ganz normal wahrnehmen. Allerdings ist ihre Toleranzgrenze gegenüber Lautstärke deutlich reduziert, was bei der Auswahl und Einstellung von Hörgeräten besonders sensibel berücksichtigt werden muss. Alle Hörgerätearten sind aber nur dann sinnvoll, wenn ein messbarer Hörverlust vorliegt und die Verständlichkeit im Alltag beeinträchtigt ist. Eine genaue Beratung durch einen Hörakustiker oder Audiologen ist hier entscheidend.

GUT ZU WISSEN:
Da eine sehr niedrige Unbehaglichkeitsschwelle oft mit Stress, Angst oder Tinnitus in Verbindung steht, können eine psychologische Beratung oder eine Verhaltenstherapie hilfreich sein, um den Umgang mit der Geräuschüberempfindlichkeit zu erlernen.

Welche Bedeutung hat die Unbehaglichkeitsschwelle in der Audiologie?

Die Unbehaglichkeitsschwelle hat in der Audiologie eine zentrale Bedeutung, da sie entscheidend ist für die optimale Anpassung von Hörgeräten. Nur so werden Verstärkungen nicht als störend oder schmerzhaft empfunden. Zudem markiert sie die obere Grenze des komfortablen Hörbereichs (most comfortable range), der zwischen Hörschwelle und Unbehaglichkeitsschwelle liegt.

Wie beeinflusst eine niedrige Unbehaglichkeitsschwelle die Hörgerätewahl?

Eine niedrige Unbehaglichkeitsschwelle bedeutet, dass Betroffene bereits bei vergleichsweise geringen Lautstärken Unbehagen oder sogar Schmerzempfinden verspüren. Das hat direkte Auswirkungen auf die Auswahl und Einstellung von Hörgeräten:

  • begrenzte Verstärkungsmöglichkeiten: Hörgeräte dürfen nur so viel verstärken, dass die Unbehaglichkeitsschwelle nicht überschritten wird. Geräte mit fein abstimmbarer Ausgangsbegrenzung (Output Limiting) oder kompressionsbasierter Verstärkung sind hier besonders wichtig.
  • Wahl spezieller Signalverarbeitung: Hörsysteme mit mehrkanaliger Kompression, Impulsschallunterdrückung oder automatischer Pegelregulierung sind besser geeignet, um laute Geräusche angenehm zu halten.
  • höheres Risiko für Überempfindlichkeit (Hyperakusis): Menschen mit niedrigem Uncomfortable-Loudness-Level reagieren oft überempfindlich auf Alltagsgeräusche. Hörgeräte müssen daher besonders sanft und schrittweise angepasst werden, oft mit einer längeren Eingewöhnungszeit.
  • angepasste Verstärkungsstrategie: Statt linearer Verstärkung kommen dynamische Strategien zum Einsatz, bei denen leise Töne ausreichend verstärkt werden, laute jedoch kaum oder gar nicht.
  • LDL-Messung: Die Ermittlung individueller Unbehaglichkeitsschwellen ist unverzichtbar, um das Hörgerät so einzustellen, dass es Nutzen bringt, ohne zu überfordern.
WAS IST DIE LDL-MESSUNG?
Die LDL-Messung (Loudness Discomfort Level) ergänzt das Audiogramm und bestimmt die individuelle Lautstärkegrenze, ab der Töne als unangenehm laut empfunden werden. Sie ist besonders wichtig, um Hörgeräte so einzustellen, dass sie weder unterfordern noch überfordern. Durch die genaue Bestimmung der Unbehaglichkeitsschwelle kann die maximale Verstärkung des Hörgeräts angepasst werden, um Komfort und Hörbarkeit optimal auszubalancieren. Diese Messung ist auch hilfreich bei der Diagnostik von Überempfindlichkeiten wie Hyperakusis.

Wie wird die Unbehaglichkeitsschwelle bei Hörgeräteträgern berücksichtigt?

Bei der Hörgeräteanpassung misst der Akustiker diese Schwelle, um zu verhindern, dass das Hörgerät laute Geräusche über diese Grenze verstärkt. Dadurch bleibt das Hören komfortabel und das Hörgerät wird nicht als störend oder schmerzhaft empfunden. 

Wie oft sollte die Unbehaglichkeitsschwelle bei Hörgeräte-Trägern überprüft werden?

Es gibt hier keine vorgeschriebenen Fristen, aber einmal im Jahr sollten Sie die Schwelle bei einem Hörakustiker überprüfen lassen. Sollten Sie allerdings feststellen, dass Sie sich unwohl fühlen, dann ist angeraten, bereits früher eine Überprüfung durchführen zu lassen, denn nur ein gut eingestelltes Hörgerät bringt den gewünschten Erfolg bei Schwerhörigkeit beziehungsweise Hörverlust. 

Wie wirkt sich eine fehlerhafte Erfassung der Unbehaglichkeitsschwelle auf die Hörversorgung aus?

Wird die Schwelle zu hoch angesetzt, hört der Nutzer unangenehm laute Töne, was das Tragen der Hörgeräte unangenehm macht und die Akzeptanz senkt. Andererseits kann eine zu niedrige Schwelle dazu führen, dass das Hörgerät nicht optimal verstärkt, was das Sprachverstehen beeinträchtigt und die Hörrehabilitation behindert. Zudem drohen durch zu hohe Lautstärken Hörschäden, weshalb auch hier wieder gilt: Eine exakte LDL-Messung ist essenziell für die sichere und effektive Hörversorgung.

Wie wird die Unbehaglichkeitsschwelle im Tonaudiogramm dokumentiert?

Die U-Schwelle wird im Tonaudiogramm als eine zweite Kurve oberhalb der Hörschwelle dargestellt. Diese Kurve markiert für die gemessenen Frequenzen den Schalldruckpegel, bei dem die Testperson den Ton als unangenehm laut empfindet. 



Wie werden maximale Ausgangspegel (MPO) in Hörgeräten angepasst?

Die Unbehaglichkeitsschwelle wird in Hörgeräten primär durch die Einstellung des Maximalen Ausgangsschalldruckpegels (MPO) beeinflusst. Der MPO legt die Obergrenze fest, wie laut der Schall am Ausgang des Hörgerätes maximal werden darf. Das Hörgerät kann also keinen höheren Schalldruckpegel erzeugen, selbst wenn der Eingangsschall noch lauter wäre. Auf diese Weise wird das Ohr geschützt vor übermäßiger Lautstärke und potenziellen Schäden. Bei der Einstellung des MPO ist die Messung der individuellen Unbehaglichkeitsschwelle des Trägers dieBasis für den Hörgeräteakustiker.

Welche technischen Einstellungen im Hörgerät betreffen außerdem die U-Schwelle?

Neben dem MPO beeinflussen auch die Mechanismen der Dynamikbegrenzung beziehungsweise der Kompression die Erfahrung mit lauten Geräuschen. Hörgeräte verwenden Kompressionsverfahren, um den großen Dynamikbereich der Umwelt (leise bis sehr laute Geräusche) in den oft stark eingeschränkten Dynamikbereich (den Bereich zwischen Hörschwelle und Unbehaglichkeitsschwelle) des schwerhörigen Ohrs zu „pressen“. Die ausgangsgesteuerte Kompression (AGC-O) überwacht und begrenzt dabei den Ausgangsschalldruck. Sie ist eng mit der MPO-Einstellung verbunden und sorgt dafür, dass die MPO-Grenze schnell und präzise eingehalten wird, insbesondere bei plötzlich auftretretenden lauten Geräuschen (Impulsschall). Da die Unbehaglichkeitsschwelle für verschiedene Frequenzen individuell unterschiedlich sein kann, erfolgt die Einstellung des MPO und der Kompression in der Regel frequenzabhängig in verschiedenen Frequenzkanälen des Hörgeräts. So wird nicht nur eine optimale und komfortable Begrenzung über das gesamte Frequenzspektrum gewährleistet, sondern es werden auch weitere Schäden vermieden.

Was ist der Unterschied zwischen Unbehaglichkeitsschwelle, Hörschwelle und Schmerzschwelle? 

Die 3 Schwellen markieren verschiedene Stufen der Schallwahrnehmung:

  • Hörschwelle: Der leiseste Schalldruckpegel, den eine Person gerade noch wahrnehmen kann, also die untere Grenze des Hörens (ca. 0 dB HL bei Normalhörenden).
  • Unbehaglichkeitsschwelle (UCL): Der Schalldruckpegel, ab dem Töne als unangenehm, störend oder belastend empfunden werden, aber noch nicht schmerzhaft sind (typischerweise zwischen 90 und 110 dB HL, individuell sehr unterschiedlich).
  • Schmerzschwelle: Der Schalldruckpegel, bei dem Schall körperlich schmerzhaft wird und das Gehör akut geschädigt werden kann (ca. 120 bis 140 dB SPL).
WAS BEDEUTEN DB HL UND DB SPL?
In der Akustik gibt es 2 verschiedene Arten, Lautstärke zu messen: dB SPL und dB HL. Ersteres misst den tatsächlichen Schalldruck in der Luft, also wie laut ein Ton physikalisch ist, und wird zum Beispiel bei Lärmmessungen verwendet. Zweiteres dagegen orientiert sich am menschlichen Gehör und zeigt an, wie gut oder schlecht jemand hört. Der Unterschied ist, dass unser Ohr bestimmte Tonhöhen (Frequenzen) besser hört als andere. Ein sehr leiser Ton bei 1000 Hz wird vom Ohr schon bei etwa 7 dB SPL wahrgenommen. Das ist dann 0 dB HL, also normale Hörschwelle. Bei tiefen Tönen wie 125 Hz braucht es dagegen viel mehr Schalldruck (etwa 45 dB SPL), bis wir ihn hören, aber auch das gilt noch als 0 dB HL. So hilft dB HL dabei, das Hören realistisch zu bewerten, unabhängig davon, wie empfindlich unser Ohr für verschiedene Töne ist.

Zusammen definieren diese Schwellen den Dynamikbereich des Hörens, von der Wahrnehmungsgrenze über den Komfortbereich bis zur Schmerzgrenze. Bei der Hörgeräteversorgung ist besonders wichtig, dass verstärkte Signale zwischen Hörschwelle und UCL liegen, um gutes Verstehen ohne Unbehagen zu ermöglichen.

Die Begriffe im Vergleich

BegriffAbkürzungDefinitionReferenzwertTypischer BereichVerwendung
HörschwelleDer leiseste Schalldruckpegel, den eine Person gerade noch wahrnehmen kann, also die untere Grenze des Hörens.0 dB HL (Hörniveau) bei 1000/2000 Hz0 bis 20 dB HL (normal hörend)
  • Audiometrie
  • Hörverlust-Diagnostik
UnbehaglichkeitsschwelleUCLSchalldruckpegel, ab dem Töne als unangenehm oder belastend empfunden werden (individuell verschieden).individuell, meist > 90 dB HL90 bis 110 dB HL (typisch)
  • Hörgeräteanpassung
  • Dynamikbereich
SchmerzschwelleSchalldruckpegel, ab dem Schall akut schmerzhaft wird und das Gehör schädigt.ca. 130 dB HL (120 bis 140 dB SPL)120 bis 140 dB SPL
  • Gehörschutz
  • Sicherheitsgrenzwerte
Sound Pressure LeveldB SPLPhysikalischer Schalldruck, also eine objektive, frequenzunabhängige Größe.20 µPa = 0 dB SPL bei 1000 Hztypischer Lärm 40 bis 100 dB SPL
  • Lärmmessung
  • Akustik
Hearing LeveldB HLSchalldruckpegel relativ zur durchschnittlichen Normalhörschwelle (frequenzabhängig, subjektiv).0 dB HL = Normalhörender0 bis 20 dB HL (normal)
  • Audiometrie
  • Hörgeräte
Dynamikbereich des HörensSpanne zwischen Hörschwelle und Unbehaglichkeitsschwelle, definiert den hörbaren Pegelbereich.individuell, ca. 100 dB (bei Gesunden)90 bis 120 dB (zwischen 0 bis 110/120 dB HL)
  • Sprachverstehen
  • Hörsysteme
Frequenzbereich des HörensBereich der Frequenzen, die das menschliche Ohr wahrnehmen kann.ca. 20 Hz bis 20 kHz500 bis 6.000 Hz besonders sensitiv
  • Sprachverstehen
  • Audiogramm

Wie ermittelt man die Unbehaglichkeitsschwelle bei Kindern? 

Um die Unbehaglichkeitsschwelle bei Kindern zu ermitteln, werden verschiedene alters- und entwicklungsabhängige Methoden verwendet. Je älter und kooperativer ein Kind ist, desto genauer lässt sich diese Schwelle bestimmen.

AltersgruppeTestmethodeTestbeschreibungZielNutzen/Besonderheiten
0 bis 6 MonateReflexaudiometrie
  • Beobachtung unwillkürlicher Körperreaktionen auf laute Geräusche (z. B. Atmungsänderung, Grimassen, Zucken, Saugverhalten)
  • Einschätzung, ob ein Ton zu laut bzw. unangenehm für das Kind ist
  • Überprüfung der Ergebnisse objektiver Tests
  • erste Einschätzung der Unbehaglichkeitsschwelle
6 Monate bis 2 JahreVerhaltensbeobachtungsaudiometrie
  • Beobachtung bewusster Reaktionen wie Lauschen
  • Kopfdrehung zur Schallquelle
  • Reaktion beim Spielen
  • Erkennen von Unbehagen bei lauten Tönen
  • Abschätzung der Unbehaglichkeitsschwelle
  • Reaktionen abhängig von Entwicklungsstand und Tagesform
2 bis 3 Jahrekonditionierte Spielaudiometrie
  • Training des Kindes, bei Tönen bestimmte Spielhandlungen auszuführen (z. B. Klötzchen stapeln)
  • Abschätzung der Unbehaglichkeitsschwelle anhand des Spielabbruchs oder Unbehagens
  • Voraussetzung: Kooperation des Kindes
ab 4 Jahrenkonventionelle Audiometrie
  • Töne via Kopfhörer in unterschiedlichen Lautstärken und Frequenzen
  • Kind signalisiert Hörbarkeit
  • Feststellung der Hör- und Unbehaglichkeitsschwelle
  • ergänzend Sprachaudiometrie zur Bestimmung der Lautstärke für verständliche Sprache
ab ca. 7 JahrenFreiburger Sprachtest
  • Wiederholung gehörter Wörter oder Sätze
  • Ableitung der Unbehaglichkeitsschwelle anhand der Rückmeldung bei unangenehmer Lautstärke
  • ältere Kinder liefern verlässlichere, differenzierte Rückmeldungen

Was ist bei Kindern oder besonders empfindlichen Menschen bei der Unbehaglichkeitsschwelle zu beachten?

Es handelt sich bei der Unbehaglichkeitsschwelle um einen sensiblen Wert. Daher sollte man gerade bei Kindern, aber auch bei besonders sensiblen Menschen mit besonderer Vorsicht vorgehen, da sie auf laute Geräusche stärker und unvorhersehbarer reagieren können. Hier sind die wichtigsten Punkte, die dabei zu beachten sind:

  1. kindgerecht erklären und vorbereiten: Kinder sollten kindgerecht über den Ablauf informiert werden („Wir machen ein Hörspiel mit Tönen“). Angst oder Unsicherheit kann zu Überreaktionen führen, Vertrauen ist hier entscheidend.
  2. sanfte Lautstärkesteigerung: Die Lautstärke sollte langsam und schrittweise erhöht werden, um plötzliche Schreckreaktionen oder Stress zu vermeiden. Plötzliche, laute Töne können Angst auslösen oder zu Abwehrverhalten führen und das kann die Messung verfälschen.
  3. körperliche und emotionale Reaktionen beobachten: Kinder können ihre Empfindungen oft nicht klar verbalisieren. Daher sind Zeichen wie Stirnrunzeln, Wegdrehen, Augen zusammenkneifen oder auch Abwehrbewegungen, Weinen, Spielverweigerung genau zu beachten, denn sie sind Hinweise darauf, dass die Grenze zum Wohlfühlen überschritten wurde.
  4. keine unnötige Belastung: Die Untersuchung sollte so kurz und so angenehm wie möglich gestaltet werden. Es ist wichtiger, die Toleranzgrenze nicht zu überschreiten, als einen exakten dB-Wert zu erzwingen.
  5. individuelle Unterschiede berücksichtigen: Besonders empfindliche Personen (z. B. mit Autismus, Hyperakusis oder Hörverarbeitungsstörungen) haben deutlich niedrigere Unbehaglichkeitsschwellen. In solchen Fällen sind besonders vorsichtige Einstellungen am Audiometer nötig, gegebenenfalls mit niedrigeren Startpegeln und enger Überwachung.
WAS IST HYPERAKUSIS?
Hyperakusis ist eine Überempfindlichkeit gegenüber alltäglichen Geräuschen, bei der normale Schallpegel als unangenehm laut oder sogar schmerzhaft wahrgenommen werden. Betroffene reagieren bereits auf moderate Lautstärken, wie Geschirrgeklapper, Straßenverkehr oder Gespräche, die für normalhörende Menschen problemlos tolerierbar wären mit Unbehagen oder Schmerz. Die Unbehaglichkeitsschwelle ist bei Hyperakusis deutlich herabgesetzt, wodurch der nutzbare Dynamikbereich des Hörens stark eingeschränkt ist. Neben der Hyperakusis gibt es noch die Dysakusis, bei der alle Geräusche gleich laut wahrgenommen werden sowie die Phonophobie (Geräuscheangst) und die Lautstärkeüberempfindlichkeit bei Tinnitus, die alle mit einer veränderten Wahrnehmung der Unbehaglichkeitsschwelle einhergehen können.​

Was bedeutet Recruitment im Zusammenhang mit der Unbehaglichkeitsschwelle?

Recruitment ist ein audiologisches Phänomen, das häufig bei Innenohrschwerhörigkeit, insbesondere bei Schädigungen der Haarzellen in der Cochlea, auftritt und sich durch eine abnorm schnell ansteigende Lautstärkeempfindung auszeichnet. Bei Menschen mit Recruitment ist das Hören leiser Töne stark eingeschränkt. Sie werden entweder gar nicht oder nur sehr schwach wahrgenommen. Sobald der Schall jedoch nur etwas lauter wird, steigt die Lautstärkewahrnehmung sprunghaft an, sodass Töne plötzlich als unangenehm laut oder sogar schmerzhaft empfunden werden. Empfindet zum Beispiel ein normalhörender Mensch den Übergang von 40 Dezibel auf 60 Dezibel als etwas lauter, ist für jemanden mit Recruitment derselbs Anstieg sehr plötzlich sehr laut und das, obwohl er den 40-Dezibel-Ton gar nicht gehört hat. 



Wo liegt der Zusammenhang zwischen neurologischen Problemen und der Unbehaglichkeitsschwelle? 

Eine niedrige Unbehaglichkeitsschwelle kann nicht nur durch eine Schädigung des Innenohrs oder eine Überempfindlichkeit wie Hyperakusis entstehen, sondern auch ein Hinweis auf neurologische Erkrankungen sein. In solchen Fällen liegt die Ursache in der zentralen Verarbeitung von Geräuschen, also im Gehirn und nicht im Ohr selbst. Folgende neurologische Erkrankungen können mit einer Schwelle der Unbehaglichkeit beim Hören verbunden sein: 

  • Migräne: Viele Betroffene berichten während oder vor einer Migräneattacke von einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber Geräuschen. Selbst normale Alltagsgeräusche können als unangenehm oder schmerzhaft empfunden werden. Die Ursache dafür ist eine gesteigerte Reizverarbeitung im Gehirn.
  • Epilepsie: Bei manchen Epilepsieformen kann es zu auditorischen Überempfindlichkeiten kommen. In seltenen Fällen können Geräusche sogar Anfälle auslösen (reflektorische Epilepsie).
  • Autismus-Spektrum-Störungen: Menschen mit Autismus zeigen häufig eine veränderte sensorische Verarbeitung, darunter auch eine verstärkte Reaktion auf akustische Reize. Alltagsgeräusche wie Staubsauger, Klatschen oder Verkehrslärm können als extrem unangenehm oder sogar schmerzhaft empfunden werden.
  • Angststörungen und Posttraumatische Belastungsstörung: Geräusche können bei ängstlichen oder traumatisierten Personen übermäßige Stressreaktionen auslösen. Die Schwelle für akustisches Unbehagen ist oft deutlich erniedrigt, da das Gehirn Geräusche als potenzielle Bedrohung bewertet.
  • zentrale Hörverarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen: Bei diesen Störungen ist dieVerarbeitung von Geräuschen im Gehirn beeinträchtigt, obwohl das Gehör selbst intakt ist. Betroffene zeigen manchmal Auffälligkeiten im Umgang mit Lautstärke wie Unbehagen bei bestimmten Geräuscharten oder Frequenzen.
  • Multiple Sklerose: MS kann durch Entzündungsherde im Gehirn oder Hirnstamm auch die Hörverarbeitung beeinflussen. In seltenen Fällen wird eine Hyperakusis-ähnliche Symptomatik beschrieben.
  • Schädel-Hirn-Trauma: Nach Unfällen oder Hirnverletzungen kann es zu einer veränderten Geräuschverarbeitung kommen. Manche Patienten entwickeln eine reduzierte Toleranz für akustische Reize, sogar bei normalem Hörvermögen.

Welche Hörgerätetechnologien helfen bei Hyperakusis oder Schallempfindlichkeit?

Bei Hyperakusis oder Schallempfindlichkeit helfen spezielle Hörgeräte mit integrierten Sound- bzw. Rauschgeneratoren, die beruhigende Hintergrundgeräusche erzeugen und das Gehör schrittweise an normale Lautstärken gewöhnen. Man spricht hier von Desensibilisierung. Zudem bieten moderne Hörgeräte Technologien zur gezielten Filterung und Dämpfung störender Frequenzen sowie eine individuell anpassbare maximale Lautstärke, um Überempfindlichkeit zu reduzieren und das Hörerlebnis angenehmer zu gestalten. Ergänzend können Hörtherapie, Klangtherapie und Entspannungsmethoden die Symptome nachhaltig lindern.

Fazit

Die Unbehaglichkeitsschwelle ist ein unverzichtbarer Parameter in der Audiologie und Hörgeräteversorgung. Sie markiert die obere Grenze des individuellen Hörkomforts und ermöglicht es, den nutzbaren Dynamikbereich präzise zu bestimmen. Besonders bei eingeschränktem Dynamikbereich ist die UCL-Messung entscheidend, um eine optimale Balance zwischen ausreichender Verstärkung und Tragekomfort zu erreichen. Die individuelle Variabilität der Unbehaglichkeitsschwelle zeigt, dass erfolgreiches Hören mehr erfordert als reine Lautstärkeanpassung. Es geht um die feine Abstimmung zwischen technischer Verstärkung und menschlichem Wohlbefinden. Ihre Berücksichtigung ist daher nicht nur audiologisch sinnvoll, sondern maßgeblich für die Lebensqualität von Hörgeräteträgern.

Unbehaglichkeitsschwelle: Häufig gestellte Fragen

Wie kann man Hörgeräte trotz niedriger Unbehaglichkeitsschwelle angenehm einstellen?

Hörgeräte können trotz niedriger Unbehaglichkeitsschwelle (LDL) sehr angenehm eingestellt werden, wenn der verfügbare Dynamikbereich konsequent genutzt und die maximale Lautstärke sauber begrenzt wird. Entscheidend sind dabei eine präzise LDL‑Messung, passende Kompressionseinstellungen und eine schrittweise Gewöhnung, besonders bei Schallempfindlichkeit oder Hyperakusis.

Welche Rolle spielt die Unbehaglichkeitsschwelle bei der Hörgeräteanpassung?

Entscheidend ist, dass die Unbehaglichkeitsschwelle bei jeder Anpassungsrunde als obere Leitplanke dient, an der alle lauter werdenden Einstellungen kontrolliert ausgerichtet werden.

Was ist die dynamische Hörbreite und wie hängt sie mit der Unbehaglichkeitsschwelle zusammen?

Die dynamische Hörbreite beschreibt den nutzbaren Bereich, in dem Klänge als hörbar, aber noch nicht unangenehm wahrgenommen werden. Die Unbehaglichkeitsschwelle bildet dabei die obere Grenze dieser dynamischen Hörbreite. Sinkt sie, wird der verfügbare Dynamikbereich kleiner und das Hörgerät muss mit stärkerer Kompression und streng begrenzter Maximallautstärke innerhalb dieses schmaleren Fensters arbeiten.​



Quellen

[1] „HNO-Klinik am UKS“. Uks.eu, www.uks.eu/kliniken-einrichtungen/augen-haut-hno/hals-nasen-ohrenheilkunde/schwerpunkte/hoerzentrum-am-uks/audiologie. Zugegriffen 21. November 2025.

[2] British Society of Audiology, www.thebsa.org.uk/wp-content/uploads/2023/10/OD104-36-Recommeded-Procedure-Unconfortable-Loudness-2… Zugegriffen 3. Dezember 2025.

Über unsere*n Autor*in
Simone Blaß
Simone studierte Germanistik, Psychologie und Soziologie und absolvierte danach ein Volontariat bei einem lokalen Fernsehsender. Nach Zwischenstationen beim Radio und in einer PR-Agentur arbeitete sie viele Jahre als freiberufliche Redakteurin für Online-Portale und Agenturen.